FFP Pressemitteilung 2 / 2008
Familienbewusstsein bewerten und vergleichen
Münster 02.07.2008. Das Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik (FFP) an der Universität Münster und der Steinbeis-Hochschule Berlin hat mit dem berufundfamilie-Index ein Instrument zur Bewertung des Familienbewusstseins in Unternehmen entwickelt. Der Index ist eine betriebliche Kennzahl und bietet Unternehmen erstmals die Möglichkeit, die Stärken und Schwächen ihrer Personalpolitik in Bezug auf familienbewusste Maßnahmen zu überprüfen und diese dann – wo nötig – gezielt zu verbessern.
Die betriebliche Familienpolitik ist in den letzten Jahren unbestritten zu einem Top-Thema in der deutschen Wirtschaft geworden. Doch wie familienbewusst sind die Unternehmen und wie lässt sich das Familienbewusstsein belegen? Der berufundfamilie-Index des FFP trägt nun zur Beantwortung dieser Fragen bei. In einem zweijährigen Forschungsprozess wurde der berufundfamilie-Index in enger Zusammenarbeit von Politik- und Wirtschaftswissenschaftlern unter Federführung der Professoren Irene Gerlach und Helmut Schneider entwickelt. Gefördert wurde deren Arbeit von der berufundfamilie gGmbH, einer Initiative der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung sowie dem Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend.
Der Index deckt verschiedene Dimensionen des Familienbewusstseins ab: Neben der Bereitstellung familienbewusster Leistungen wie flexiblen Arbeitszeiten, umfasst das Familienbewusstsein eines Unternehmens auch den betriebsinternen Dialog zu Fragen der Vereinbarkeit. Stimmen sich Mitarbeiter und Unternehmensleitung beispielsweise über den Bedarf an Leistungen ab? Eine weitere Dimension ist die Unternehmenskultur, denn sie gibt Aufschluss darüber, inwieweit familiale Verpflichtungen der Mitarbeiter im Unternehmen akzeptiert werden und ob diese beispielsweise auch von Führungskräften übernommen werden.
Die Tragfähigkeit dieses Konzepts von Familienbewusstsein wurde sowohl in Expertengesprächen als auch in verschiedenen Tests mit Unternehmen bestätigt, so dass daraus ein valides Messinstrument entwickelt werden konnte.
Das Messinstrument ist ein online-basierter Fragenkatalog, der alle drei Dimensionen des Familienbewusstseins abdeckt. Nach der Beantwortung der Fragen wird ein betriebsspezifischer Wert errechnet, der zwischen 0 und 100 liegen kann. 0 heißt dabei gar nicht familienbewusst, 100 heißt sehr familienbewusst. Ab sofort können alle interessierten Unternehmensvertreter den Fragenkatalog unter www.berufundfamilie-index.de aufrufen und ihr Familienbewusstsein messen. Das datenbankgestütze Tool ermöglicht darüber hinaus den Vergleich mit Unternehmen gleicher Branche und Größenklasse.
Das FFP hat den berufundfamilie-Index bereits in einer Studie mit rund 1000 in Deutschland ansässigen Betrieben erfolgreich zum Einsatz gebracht. Die für Deutschland repräsentative Stichprobe wird einerseits kategorisiert durch vier Beschäftigtengrößenklassen (6-49, 50-199, 200-499 und über 500 Mitarbeiter) sowie andererseits durch die vom Statistischen Bundesamt erstellte Klassifikation der Wirtschaftszweige.
Das Ergebnis: In Sachen Familienbewusstsein gibt es große Unterschiede. Immerhin gehören 15 Prozent der Befragten zu den besonders familienbewussten Unternehmen, deren Index-Wert sie zu Spitzenreitern auf dem Feld der Vereinbarkeit von Beruf und Familie macht. Aber es gibt in Deutschland auch Unternehmen, die noch deutlichen Nachholbedarf im Bereich der familienbewussten Personalpolitik haben. Die Gruppe der sogenannten Schlusslichter ist in der Stichprobe mit 15 Prozent vertreten; gefolgt von einem breiten Mittelfeld, dem 70 Prozent der Unternehmen angehören. Unternehmen, die bereits das audit berufundfamilie, ein Managementinstrument zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, durchlaufen haben, erreichen durchschnittlich knapp 15 Punkte mehr als nicht auditierte Unternehmen.
Der bundesdeutsche Durchschnittswert des berufundfamilie-Index liegt bei knapp 63 Punkten. „Ein beachtliches Ergebnis, das gleichwohl auch noch Spielraum für weitere Verbesserungen lässt“, erläutert Irene Gerlach. Wie familienbewusst ein Unternehmen ist, hat weniger mit der Betriebsgröße oder der Branche zu tun, sondern hängt vielmehr von der Personalstruktur ab. Unternehmen mit einem überdurchschnittlich hohen Index-Wert weisen einen hohen Anteil an weiblichen Mitarbeiten, Akademikern, Mitarbeitern mit Familienpflichten und Führungskräften in Teilzeit auf. „Diese Ergebnisse zeigen, dass wirklich jedes Unternehmen etwas für sein Familienbewusstsein tun kann. Das Argument ‚Wir sind viel zu klein für so was` kann nicht mehr gelten“, bekräftigt Helmut Schneider.
Der berufundfamilie-Index wurde am 30. Juni 2008 bei einer Pressekonferenz von der Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen und dem Vorstandsvorsitzenden der Hertie-Stiftung, Dr. Michael Endres, vorgestellt. In wissenschaftlicher Hinsicht ermöglicht der berufundfamilie-Index perspektivisch eine differenzierte Analyse betriebswirtschaftlicher Effekte einer familienbewussten Personalpolitik. Durch die standardisierte Messung können darüber hinaus die Veränderungen des Familienbewusstseins der teilnehmenden Unternehmen im
Zeitablauf kenntlich gemacht werden.
Das neu erschienene Arbeitspapier „Der berufundfamilie-Index – ein Instrument zur Messung des betrieblichen Familienbewusstseins“ erläutert den wissenschaftlichen Hintergrund des berufundfamilie-Index.